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Der Erste Merseburger
Zauberspruch
Der Erste Merseburger
Zauberspruch ist ein Vierzeiler. Er lautet im Original:
Eiris sâzun idisi, sâzun hêra duoder.
suma hapt heptidun, suma heri lezidun,
suma clûbôdun umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandum, inuar uîgandun !
Hier eine Übersetzung ins heutige Deutsch:
Einst setzten sich Jungfrauen/Idisen, setzten sich hierher...
Manche hefteten Haft, manche hemmten das Heer.
Einige zerrten an den Fesseln.
Entspring den Haftbanden, entfahr den Feinden!
Der Zauberspruch beschreibt, wie eine Anzahl „Idisen“ (walkürenartige
Frauen, eventuell identisch mit den Disen, weibliche Gottheiten aus der
nordischen Mythologie) auf dem Schlachtfeld gefangene Krieger befreit.
Insofern handelt es sich um einen „Lösesegen“, durch den Gefangene aus
ihrer Gefangenschaft befreit werden sollen. Die letzte Zeile „Entspring
den Haftbanden, entfahr den Feinden!“ ist die eigentliche magische
Komponente, sie enthält die Vorbildhandlung. |
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Der Zweite Merseburger
Zauberspruch
Der zweite Merseburger
Zauberspruch ist länger als der erste:
Phol ende Uuôdan uuorun zi holza.
Dû uuart demo Balderes uolon sîn uuoz birenkit.
thû biguol en Sinthgunt, Sunna era suister,
thû biguol en Frîia, Uolla era suister;
thû biguol en Uuôdan sô hê uuola conda:
sôse bênrenkî, sôse bluotrenkî,
sôse lidirenkî:
bên zi bêna, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sôse gelimida sin!
Hier eine Übersetzung ins heutige Deutsch:
Phol und Wodan ritten ins Holz.
Da ward dem Fohlen Balders der Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt (und) Sunna, ihre Schwester.
Da besprach ihn Frija (und) Volla, ihre Schwester.
Da besprach ihn Wodan, wie (nur) er es verstand:
So Knochenrenke wie Blutrenke
Wie Gliedrenke:
Bein zu Bein, Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern, als ob geleimt sie seien! (oder: dass sie gelenkig
sind!) Die Bedeutung
des Zauberspruchs ist offensichtlich: das verrenkte Bein eines Pferdes
oder Fohlens soll geheilt werden. Entsprechende Darstellungen finden
sich oft auf Brakteaten aus dem 5./6. Jahrhundert. Auf vielen Brakteaten
aus dieser Zeit ist Wotan abgebildet, wie er ein Pferd heilt, das ein
krankes Bein hat (meistens der Vorderlauf). Insofern ist der Spruch
klar. |